Fallbeispiele Behandlung

Wie wirkt sich mein Behandlungsvorgehen auf den Genesungsprozess auf?

Fallbeispiel A – männlich

Medizinischer Befund: 

Ergotherapeutische Diagnosestellung

Herr A war total unruhig. Er konnte den Schlaganfall nicht akzeptieren. Er hatte noch so viel vor im Leben und war beruflich sehr eingespannt und engagiert. Er hatte viel Streß. Zur Klinik hatte er das Vertrauen verloren. Er konnte nicht akzeptieren, dass er z.B. seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. So hat er sich unwahrscheinlich gestresst, da er ja zum Beispiel wieder gehen wollte, weil er ja wieder seinen Beruf ausüben möchte.

Ziel:

Das Problem war: je mehr er sich selber Druck machte und selber Übungen machte, desto mehr spannt sich der Körper an und desto stärker ausgeprägt war sein spastisches Muster. Er war so unruhig und aktiv, dass er seinen Kopf gar nicht auf das Kissen ablegen konnte.

Behandlungs-Hypothese:
Ich versuchte mit Kopf rollen dem entgegenzuwirken. Ich habe das bei weiteren Terminen wiederholt, jedoch nicht den von mir erwarteten Erfolg gehabt. Ich beschloß, mit dem Becken zu beginnen! Dort fand ich einen Ansatzpunkt und konnte sehr vorsichtig und langsam aufbauen.

Zu Hr. A kam ich täglich zum Waschen, Anziehen, Transfer in den Rollstuhl. Montags frage ich in der Regel, welche Ziele sie haben. So fragte ich auch eines Montags Hr. A., welches Ziel er diese Woche hat. „So schnell wie möglich heim.“ Er hatte die Idee, dass er nach Hause geht, Rotwein trinkt und sich dabei überlegt, wie er dieses Problem lösen kann. Dabei baute er immer mehr Muskelspannung bzw. sein spastisches Muster auf (Arm Flexions-Tonus; Bein Streck-Tonus; Becken war unsymmetrisch).

Wir machten keine wirklichen Fortschritte: der Fuß nahm immer weniger Fußbodenkontakt auf und die Muskelspannung wurde immer höher. Er führte mich an meine Grenzen. Mir fiel es weiterhin schwer zuzusehen, wie sehr er sich abmühte, dass es besser wird, dass er aus dem Teufelskreislauf rauskam und sich dadurch immer mehr verstrickte… 

Eines Tages fragte ich, welches Ziel er hat: Ich möchte so ruhig werden, wie sie. Das war für mich ein gutes Ziel. Wir haben es erreicht.

Fallbeispiel B – weiblich

Heute berichtet sie mir: „Am Anfang habe ich nicht geglaubt, dass mir das etwas hilft. Ich bin sehr hart zu mir. Aber jetzt merke ich, dass auch leichte Bewegungen gut sein können. Jedes Mal merke ich, dass etwas leichter, besser geht. Ich bin schon immer gespannt, was es dieses Mal ist. Irgend etwas geht dann immer besser, wie z.B. Haare kämmen. Ich habe gelernt, dass ich nicht immer so hart zu mir sein muß.

Fr. B. war zu Beginn sehr schmerzempfindlich. Ich konnte sie kaum anfassen und bewegen. Sie hatte eine offene Wunde am Steißbein und war der Meinung, dass ihr die Wunde weh tut. Ich stellte die Hypothese auf, dass sie überwiegend aus den Rückenstrecker die Bewegungen initiiert und von daher auch Kreuzschmerzen hat. Ich bewegte in der ersten FI zuerst das Becken und merkte, dass es komplett fest war.

Fallbeispiel C – männlich

Hr. E. bewegte sich von Anfang an mit sehr viel Kraft. Er dachte mit viel Kraft und Anstrengung kann er sein Problem lösen. Doch dadurch bewegt er sich gerade entgegengesetzt zur normalen Bewegung.

Ist vom Rumpf her viel weicher geworden. Gestern konnte zum ersten Mal das Becken mit dem Brustkorb bewegt werden. Die Bewegung war besonders am Anfang noch sehr abgehackt, zittrig. Im linken Schultergelenk war heute über 90° Elevation möglich. Ich ließ den Arm gestreckt und machte das Vor- und Zurückrollen im Rumpf. Hr. C. gab dann Schmerzen im Schultergelenk an. Das Schultergelenk ist noch nicht ganz frei.

Hr. C. hatte von Beginn an beginnende Funktionen im Schultergelenk. Die Hand war geschwollen. Die Finger konnte er abgesehen vom flexorischen Muster nicht bewegen.

Jetzt setzt er die Hand im Alltag ein. Probleme hat er noch mit Socken und Hose anziehen (eingeschränkte Oberkörpervorlage).

Die Hand schwillt noch an, wenn er den Arm länger hängen lässt. Er kann mittlerweile Kleidung mit etwas Mühe greifen. Erschwert werden die selektiven Funktionen durch die Taubheit im linken Zeigefinger.

Hr. C. ist zu Beginn mit Rollstuhl gefahren. Jetzt geht er alle Strecken zu Fuß und duscht im Stehen

Fallbeispiel D – männlich

Hr. D. konnte er alle 4 Extremitäten bewegen. Die rechte Seite war die schwächere. Der Fuß war extrem schmerzempfindlich. Hr. D. hatte vor einigen Tagen einen Gichtanfall. Sobald der Fuß berührt wurde, gab er extrem starke Schmerzen an.

Auf den ersten Blick hatte ich den Eindruck, dass Hr. D. schon recht fit ist. Tatsächlich war er sehr wenig belastbar. Er kam rasch in eine Stresssituation. Er selbst meinte meistens; „Das geht schon!“ 

Für mich war sein Körper ein Rätsel. Das, was mir sein Körper zeigte, passte irgendwie für mich nicht zusammen. Beim zweiten Termin entschied ich mich, bei ihm Feldenkrais zu machen. Ich stellte die Hypothese auf, dass es ihm guttut, wenn er ein bisschen mehr zu sich kommt. Außerdem wollte ich den Rumpf mobilisieren; besonders die WS und die Rippen, mit dem Ziel, damit den Schluckakt zu verbessern. Hr. D. konnte zu diesem Zeitpunkt nur passierte Kost essen. Bei der weichen Kost verschluckte er sich zu häufig.

Hr. D. bedankte sich nach der ersten Einheit und meinte, dass es sehr angenehm war. Ich wiederholte das. Beim zweiten Mal ließ ich ihn auf die Seite legen und er bekam einen heftigen Schluckauf. Das muß er auch schon vorher gehabt haben. Der Schluckauf hörte gar nicht auf. Für mich hörte es sich an, wie ein Kind, das herzzerreißend weint, er es aber unterdrückt. Am nächsten Tag erzählt er mir, dass er in Ostdeutschland aufgewachsen ist, ausreisen wollte, dann deswegen verhaftet wurde. Er konnte mit seinen Eltern nicht darüber reden, da er nicht wollte, dass sie vom Staat bestraft wurden. Er durfte ausreisen, musste aber seine –Frau und beiden Kinder zurücklassen. Als ich das hörte, verstand ich seinen Körper, wobei verstehen nicht ganz das richtige Wort ist. Für mich stellte das, was ich von dieser Person wusste und was mir sein Körper zeigte, wieder eine Einheit dar.